Montag, 12. Oktober 2009

Boston, Kultur und Nicht-Kultur und die Eltern zu Besuch

Das erste Oktoberwochenende ging es raus aus New York und rein in die nächste Großstadt. Aber mit seinen 600.000 Einwohnern wirkte Boston richtig beschaulich. Mit dem Chinatown-Bus fuhren wir die Küste entlang durch die herbstlich bunten Wälder Connecticuts nach Massachusetts (das kann ich immer noch nicht vernünftig aussprechen). Ich war mit Hala, Praktikantin bei der UAS7 (Kontaktbüro deutscher Fachhochschulen) und Anne, trainee bei der DZ Bank (für alle Finanzignoranten wie mich: Zentralbank der Volksbanken), unterwegs. Nachdem wir unser Zimmer inspiziert und für „Hmmm naja, gut, dass wir nur eine Nacht hier sind“ befunden hatten, fuhren wir nach Cambridge. Die Stadt mit der ältesten amerikanischen Universität – Harvard. Auf einer unofficial tour erfuhren wir, dass Al Gore und Tommy Lee Jones sich in ihrem freshman-year ein Zimmer geteilt haben, dass Oprah Winfrey mit mehr Limousinen angefahren kommt als der Dalai Lama und wir haben gesehen, wo das Fenster des Zimmers ist, in dem einst Matt Damon gewohnt hat. Aber für das Geld, das man hier zum Studieren bezahlt, würde ich auch einige Promis erwarten. Am Sonntag liefen wir den freedom trail ab, der an all den bedeutenden Orten der amerikanischen Revolution vorbeiführt: dort wurde die Boston Tea Party geplant, dort wackere Amerikaner von den bösen Engländern gemeuchelt und hier wohnte soundso, der die Unabhängigkeitserklärung unterschrieb. Erschöpft saßen wir dann nachmittags in einem urigen italienischem Café und mampften Cannoli (Teig gefüllt mit viel Sahnecreme).


Das TV Programm hier erfreut mich immer wieder mit neuen Sinnlosigkeiten. Ab und zu läuft auch tatsächlich mal ein Film, aber das meiste sind Shows wie „The biggest Loser“ (Ann Kathrin und mir aus DK bekannt), wobei viele sehr stämmige Amerikaner versuchen möglichst viele ihrer überflüssigen Pfunde loszuwerden. Außerdem läuft „America’s Next Topmodel“ in der 125. Staffel, und „Dancing with the Stars“ mit solchen Größen wie Aaron Carter (ich hatte den schon völlig verdrängt) oder Kelly Osborne. Die Abende daheim kann ich also auch genüsslich damit verbringen mir die Peinlichkeiten anderer Leute anzusehen und mich fremd zu schämen. Außerdem habe ich HBO, was bedeutet, ich kann auch werbepausenfrei Sex and the City gucken oder mal ein Filmchen von der Liste auswählen. Heute steht Gossip Girl auf meinem Fernsehprogramm. Superreiche Teenies, gerade der privaten High School entschlüpft, geben Geld aus, spinnen Intrigen und haben Affären. Aber eigentlich guck ichs ja nur, weil es in New York spielt und ich immer alles wiedererkenne ;-)

Ich setze natürlich auch mein Kulturprogramm eifrig fort. In der Philharmonie habe ich Gustav Mahler gelauscht, ich habe die Blue Man Group gesehen, wie sie wild auf Rohren rumtrommeln, war auf einer tollen Ballettveranstaltung im Bryant Park und letzten Freitag die West Side Story mit meinen Eltern, die gerade zu Besuch sind. „I like to be in America, ok for me in America, everything’s free in America – for a small fee in America.” Ohrwurm. (http://www.youtube.com/watch?v=1QS7wWzwak4)

Ein weiteres Kulturhighlight ist natürlich das Nachtleben. So einige Bars haben wir hier in der Lower East Side schon ausgemacht. Zuletzt waren wir auch mal in einer deutschen Kneipe – zum Oktoberfest, mit Weißbier, Schnitzeln und Brezeln. Aber der bisherige Höhepunkt war eine Bar am Samstag im Meatpacking District, das absolute In-Ausgeh-Viertel (da wohnte Samantha von Sex and the City). Wir waren sowas von underdressed – da konnten auch Kristinas High Heels nichts mehr retten. Also Minikleid, 14 cm Absätze, ein bisschen Glitzer und dezentes Make-up müssen schon sein, wenn man dort seinen Martini schlürft - und natürlich die obligatorische Clatsh Bag. Irgendwann tanzte dann eine Braut im Pailetten-Minikleid mit ihrer Freundin, während der Bräutigam in der Ecke mit seinen Kumpels gut einen wegtrank. Wir endeten dann in einem Irish Pub im Studentenviertel am Washington Square Park, wo wir erst mal ein Guiness auf den Schreck trinken mussten und die Karaoke nicht so aufgebrezelter, dafür umso betrunkenerer Studenten genießen konnten. Mein Favorit: Country Roads.

Ich ernähre mich hier in New York erstaunlich gesund, was vor allem daran liegt, das Süßigkeiten hier scheußlich schmecken. Pfui ich bah. Hershey’s Schokolade ist eklig und Gummibärchen schmecken sowieso nicht wie bei uns und sind außerdem teuer. Das heißt ich bin auf Nüsse und Trockenfrüchte umgestiegen. Gut für mich. Junk Food ist Gott sei Dank sehr fleischlastig und so bleibt mir nur ab und zu ein Nudelgericht oder Dumplings vom Chinesen. Ansonsten gibt’s Salat oder das organic food aus dem Whole Foods Market gleich nebenan. Was natürlich nicht so gesund und fettfrei ist, das sind die Cookies und Cupcakes, die ich mir dann doch ab und zu gönne.



Dieses Wochenende habe ich meine Eltern bespaßt und meine reiseführerischen Qualitäten unter Beweis gestellt. Brunch und dann ein Gewaltmarsch durch die Lower East Side und Chinatown zur City Hall und auf die Brooklyn Bridge, bis wir dann k.o. in einem schnuckligen Café in Soho gelandet sind. Sonntag fuhren wir rüber nach Williamsburg (Brooklyn), wo wir auch erst mal mit gebruncht haben und dann durch das chassidische Viertel liefen, in dem alles auf Hebräisch geschrieben ist und die Leute aufgeputzt zum Sonntagsspaziergang unterwegs waren. Die Männer mit den Löckchen unter dem Hut oder der Pelzkappe und Schaltüchern über den Jacken und die Frauen in Kleidern oder mit Rock (keine Hosen weit und breit). Alles sehr 50-er Jahre anmutend. Eine eigene kleine fremde Welt in der großen Metropole. Obwohl klein auch falsch ist, denn schließlich sind 15% der rund 3 Millionen Einwohner Brooklyns Juden.

Nach unserem Besuch in Williamsburg fuhren wir Richtung Prospect Park , weil wir eigentlich zum Greenwood Cemetary wollten, aber aufgehalten durch Kaffee und ein Teilchen, war dieser dann geschlossen als wir ankamen.